Wolfgang Winkler

Musik ist eine bildende Kunst !?

23. 2 2009

Unsere Gesellschaft wird  am Ende des 20. Jahrhunderts durch eine ungeheure Flut an Bildern geprägt. Das öffentliche Leben ist in erhöhtem Ausmaß von einem ausgeklügelten Bildsystem, das mehr Information in weniger Zeit zu transportieren im Stand ist, abhängig. Die offensichtlich nützlichen Symbole an öffentlichen Gebäuden, der Orientierung dienend, bewirken aber letztlich ein Verstummen der menschlichen Kommunikation, da Erklärungen, was, wo zu finden wäre, überflüssig geworden sind.  Die CD in der Hand bedeutet Musik ohne sie zu hören, das grüne Symbol eines Fußgängers symbolisiert "gehen", das rote "stehen" - auch dann wenn kein Grund dafür vorhanden ist. Der Staat übernimmt solchermaßen durch die Bildersprache die Möglichkeit der Lenkung ohne Diskussion.
Die Medienindustrie kündigt weltweit die Möglichkeit von 50 Fernsehkanälen und mehr für den Einzelnen an und unterstützt damit weiter den Trend zu einer sprachlichen Rückbildung der Gesellschaft, denn die Wahrscheinlichkeit, daß sich bei Vorhandensein von soviel Bildauswahl, die unterhaltend, aber unauffällig den Geist deformiert, der Konsument sich sprachlos dieser Informationsflut hingibt,  ist extrem hoch. 
Die Vision unter 50 und mehr Programmöglichkeiten jeden Tag auswählen zu können, bedeutet nichts weniger als dadurch  zu einer fragmentierten Rezeption zu kommen. Die Verlockung sich von den Angeboten jeweils nur die im Moment passenden  Stellen auszusuchen und den Zusammenhang zu vergessen, führt zu einer phsychischen Wirkung der Bilder, da der ursprüngliche Zusammenhang der Bilder nicht mehr gegeben ist und mehrere Gestaltungskriterien sich unkontrolliert in unserem Hirn wieder zu einer neuen Vorstellungswelt zusammensetzen.  Eine virtuelle Welt entsteht, die wir nicht mehr steuern können. Unsere Rezeption dessen, was wir als  Kultur definieren,  ist in gleicher Weise  auf das Bild bezogen. Im Rahmen der Bildenden Kunst mag eine solche Feststellung selbstverständlich sein. Was sonst, als Bild - bezogen? Hier ist das Kunstwerk an sich der Ausgangspunkt eines  Wahrnehmungsprozesses, der über das Auge läuft, und der einen komplexen Denkprozeß auslöst - oder auslösen soll. Und das Kunstwerk verändert sich nur mehr in unserer Vorstellung, es ist grundsätzlich aber definiert.
Musik  hingegen ist die  Kunst, die im Moment ihres Erklingens  schon wieder unwiederbringlich vorbei ist, es sei denn, jemand spielt das Musikstück noch einmal. Dann allerdings ist es mit Sicherheit nicht mehr dieselbe Interpretation. Die Kunst der Musik hat sich in der Wiederholung verändert. Musik hinterläßt in unserer Gedankenwelt wohl ein Bild, eine Erinnerung, die wir aber in der Vergangenheit nur  mühsam, ohne zu verblassen, im Gedächntis behalten konnten. Um die Musik bildgleich zu bewahren, bedurfte es komplizierter, und in den meisten Fällen nicht von allen Konsumenten nachvollziehbarer Methoden: die Partitur, das Notenbild. das mit der Musik an sich nichts zu tun hat, war eine Möglichkeit, ein weitere das Konzert.
Beide allerdings verursachen ein anderes Bild des Kunstwerkes Musik. Beim Lesen einer Partitur kommt zur Erinnerung die eigene Interpretation in jedem Fall  hinzu und ergibt ebenso ein neues Bild von der Musik wie die Konzertwiederholung, da - siehe weiter oben, keine Konzert dem anderen gleicht.
Das war zumindest bis zum Beginn unseres Jahrhunderts, bis zum Beginn des Radios so.

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