Wolfgang Winkler

Handylogorrhoe

Die Perversion einer Erfindung

25. 2 2012

Das Handy ist zweifellos eine tolle Erfindung, die uns das Leben in fast allen Lagen erleichtert.
Wir sind rund um die Uhr und rund um den Erdball erreichbar und können total kommunizieren - ob es Sinn hat oder nicht.
Der Businessmann hat, kaum hat er das Flugzeug verlassen, schon sein iPhone am Ohr und rettet vermutlich seine Geschäfte.
Frage: Wie hat er das vor dem Handyzeitalter gemacht?

In den Straßenbahnen wird telefoniert, dass es eine Pracht ist. Wenn dann noch, speziell beim weiblichen Teil der Kommunizierer, die Stimme im Moment des Abhebens des Telefons um eine Quart hinaufgeht und dementsprechend auch lauter wird, haben wenigstens alle was davon.

Die Krankheit heißt Handylogorrhoe und wird wie folgt beschrieben:

"Zungendelirium, ungehemmter Redefluss infolge verlorener Selbstkontrolle des Gesprochenen, meist mit ungeordnetem Gedankengang".

Vollends der Vertrottelung nahe, man kann auch Sklaverei sagen, sind allerdings jene, und das sind fast alle Handytelefonierer, die, kaum läutet das Ding, es zücken, wie seinerzeit John Wayne seinen Revolver, abheben und dem Teilnehmer bedauernd, aber wichtig sagen, dass sie derzeit in einer Besprechung wären, aber sofort zurückrufen würden.
Dank der Gnade der früheren Geburt kann ich mich erinnern, dass man früher angerufen hat - und wenn der Teilnehmer nicht abgehoben hat, man es später wieder versucht hat.
Und die Welt drehte sich doch!

Was will er, der Teilnehmer, mir sagen, wenn er sagt, dass er in einer Sitzung ist?
Dass er wichtig ist, oder Ähnliches?
Warum stört mein Gast im Büro mein Gespräch mit ihm durch diese penetrant dümmliche Reaktion?
Warum schaltet er das Ding nicht ab oder unterdrückt es wenigstens?
Meist sieht er ohnehin, wer ihn anruft, also kann er ohne weiteres später nach dem Gespräch zurückrufen.
Und wenn nicht, was hat er versäumt?
Das gilt auch umgekehrt. Wenn jemand, den ich anrufe, nicht abhebt, wird er schon rückrufen oder ich probier`s einfach noch einmal. Aber ich habe nichts von der Information, dass er gerade nicht in der Lage ist, mit mir zu sprechen. Ich komme mir immer ein bisschen wie bei einem Interruptus vor.

Damit es nicht missverstanden wird: Ich bin auch Handyist, aber stolz auf meine gelegentliche Unerreichbarkeit. Die Modekrankheit Burn out hat viele Ursachen, eine ist aber sicher die ständige Bereitschaft, jederzeit ansprechbar zu sein oder sich ständig mitteilen zu müssen.

Ihr Kommentar in meinem Gästebuch....

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